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DAS MANNHEIMER THEATER IM WERK MIES VAN DER ROHE‘S

Schwarz angezogen wie zu einer Hochzeit soll er stundenlang vor seinem Theatermodell gesessen haben, dem ersten der drei großen Entwürfe Mies van der Rohes in seinem Alterswerk. Es blieb Modell und das Modell blieb in Mannheim.

BILD 11 Seagram und das Straßburger Münster | Modellfoto und maßstäbliche Planmontagen

Was er mitgenommen haben mag aus der Region in die USA, von dort gesehen fast schon aus der Nachbarschaft seines Geburtsortes Aachen, war das Straßburger Münster, aus dessen Metrik und Struktur er 1958 das Seagram Hochhaus in New York entwickelte. Die aparte Wahl des Fassadenmaterials überließ er dabei Schinkel, der im Sommer 1824 auf einer Reise nach Italien vor der Fassade des Münsters notiert hatte:

„… das prächtigste Gestein eines sehr festen, rothen Sandsteins; durch das Alter schwärzlich geworden und mit goldgelben Moos überzogen, glaubt man ein Werk aus Bronze vor sich zu sehen.“

 

 

BILD 12 Convention Hall Chicago Modellfoto mit maßstäblichem Umriss der Cheopspyramide

Soweit Welttheater und Religion, dazwischen der Entwurf zu einer Convention Hall in Chicago, 50.000 Menschen unter der Fahne der USA, darüber ein Tragwerk nach den Maßen der Cheopspyramide: Macht und Tod. Wieder bleibt es beim Modell, aber es entsteht ein paar Jahre später das Federal-Center in Chicago für ein Leben hinter Gittern und Glasflächen, worin sich Himmel und Wolken spiegeln, zusammen gehalten von der „erhabenen Ordnung seiner der Gedanken“ (Wilhelm Furtwängler über Beethoven), gefühlt eine Nekropole. Im Kiosk seines nachgebauten Pavillons in Barcelona einen Bildband über das Federal-Center zu finden, dessen Architekt sich auch noch auf das „organische Ordnungsprinzip“ (MvdR 1938) berufen hatte, wirft Fragen auf. Der Pavillon – sein auch posthum noch meist bewundertes Werk – entstand in der Mitte seines Lebens, demnach ungefähr zur Halbzeit der 50 Jahre, die er gebraucht habe zu verstehen, was Architektur sei.

 

 

BILD 13 Barcelona Pavillon

Acht Stützen, mit denen sich sein rigides Alterswerk so elegant wie zurückhaltend ankündigt, trugen und tragen inzwischen wieder das Dach des Pavillons, ein Ausstellungsstück, seinerzeit deutscher Repräsentant auf einer Weltausstellung und als solcher ein praktischer Nichtsnutz:

„Handelte es sich doch hier um einen Repräsentationsbau, dessen Funktion es war, einen in sich selbst liegenden Sinn als Objekt zu veranschaulichen.“

(Fritz Neumayer: „Mies van der Rohe Das Kunstlose Wort“, 1986/ 2015 S.267).

Freiwillig am Rand der Ausstellung, wo er sich in seiner leicht subversiven Eleganz von seiner besten Seite und vor einem fast störungsfreien Hintergrund zeigen konnte, stellt er in seine hinterste Ecke eine Plastik, der Pose nach, als sie auf festem Boden entstand, eine Tänzerin. Hier steht sie im Wasser und posiert über ihrem Spiegelbild. Des Pavillons eigenes Spiegelbild „auf dem Kopfe stehend“ wie das des „Tempelchens aus grünem und aus weißen Porzellan“ im „Lied von der Erde“ ist auf alten Schwarz-Weiß-Fotos wegretouchiert, obwohl er atmosphärisch dem Lied doch näher steht als den offenen Fragen der eigenen Zeit. Denn so gut sich Brechts episches Theater in Mies van der Rohe‘s Mannheimer Theater gemacht hätte, für eine Lesung aus seiner Hauspostille scheint der Pavillon nicht gerade der rechte Ort.

Persönliche Erfahrung auf beiden Seiten des Atlantik, bedrohliche auf der einen, andere auf der anderen, bilden zumindest den zeitlichen Hintergrund für die Barcelona-Chicago-Konversion, vielleicht kein Zufall, dass das Quadrat der Convention-Hall für Chicago der Fläche nach so groß werden sollte wie die Kreisfläche unter der Kuppel der „Halle des Volkes“ der „Welthauptstadt Germania“. Architektur als Ausdruck ihrer Zeit – das wollte Mies van der Rohe, wobei er in seinem Reden, gut verschanzt hinter allgemeinen Aussagen und Forderungen, beharrlich ignorierte, dass sie als Kunst längst wie alle anderen „Schönen Künste“ in persönliche Trägerschaft übergegangen war, dass er selbst eins der wörtlich besten Beispiele dafür abgab und dass ein Künstlertum seines Formats, das wahr sein will, nicht auskommt ohne Kritik  „…Kritik…, die dem schöpferischen Geiste notwendig beiwohnen mus…“ soweit Karl Friedrich Schinkel – weniger feierlich Theodor Fontane, der seinem „guten Wrschowitz“, einem Komponisten den „etwas delphischen“  Ausspruch zuschreibt: „Ich liebe Kritik. Aber gutte Kritik schweigt.“

BILD 14 Maßstäbliche Grundrissmontage |  Haus Farnswoth | Tempietto di Fortuna virile

Schweigen macht noch keinen Philosophen, aber wissendes Schweigen steht einem Theaterbau besonders gut. Obwohl sich der Mannheimer Entwurf so intensiv wie kein anderer Mies van der Rohes auf seinen speziellen Zweck in ein fast mehr poetisches als praktisches Verhältnis einlässt, gehört es zu seinen besonderen Qualitäten, dem Theaterereignis Raum zu schaffen, sich aus der Bühnenarbeit heraus zu halten und den Künstlerkollegen dort alles menschliche zu überlassen. Zu diesen Dingen war er schon konkreter geworden, genauer gesagt auf Distanz gegangen, beim Haus Farnsworth, ein Glashaus zwischen acht Stützen, dem er – nicht gerade taktvoll seiner Auftraggeberin gegenüber – den römischen Tempel der Fortuna Virilis unterlegte, nach dem Aufmaß Palladios, Faksimile Seite 48 im vierten seiner Architekturbücher. Es war, ihm seine eigenen Worte zu verdrehen, sein „Montagmorgen eine neue Architektur [zu] erfinden.“ Zwei Seiten weiter, Faksimile Seite 50, findet sich das Aufmaß des Rundtempels der Vesta, zuständig für Heim und Herd – offenbar für ihn die Quadratur des Kreises. Das 50×50 Haus legt sich darüber, ein Modell, ebenfalls aus Glas, mit nur vier Stützen, halbwegs schon ein Hinweis auf eine der schönsten Erfindungen der „Klassischen Moderne“ am Ende seines großen Alterswerks, mit dem er hier klein anfing, und in dessen Mitte das Mannheimer Theatermodell steht, Werk “…eines zum Äußersten gehenden Ausdruckswillens …zusammen mit der intellektuellen Leidenschaft für herbe Ordnung…“ Charakterisiert wird hier ein Künstlertypus, ein Musiker, aber die Metaphorik langsam ins Architektonische lenkend lässt Thomas Mann seinen humanistisch geprägten Erzähler fortfahren:

„Mit anderen Worten: Hitze und Kälte walteten nebeneinander in seinem Werk, und zuweilen, in den genialsten Augenblicken, schlugen sie ineinander, (…) das Objektive rötete sich von Gefühl, so dass man den Eindruck einer glühenden Konstruktion hatte, die mir, wie nichts anderes, die Idee das Dämonischen nahebrachte und mich stets an den feurigen Riss erinnerte, welchen der Sage nach ein Jemand dem zagenden Baumeister des Kölner Doms in den Sand zeichnete.“

BILD 15 Barcelona Pavillon | Eingang

Regelmäßig angeordnete Stützen, die „absolute Konstruktion“ wurden mit der Zeit ein festes Stilmittel der Architektur Mies van der Rohes, statisch nicht immer die beste Konstruktion. Frank Lloyd Wright, der den Pavillon schätzte, wollte sie ihm abgewöhnen: Zimmermannsarbeit (framework) mit arthritischen Gelenken witzelte er später. Die „Form gewordene Willkür“ der ausladenden Wände des Pavillons wurden zurückgezogen. Unter der Halle des Nationaltheaters kommen sie dann wieder vor, symmetrisch, ausfahrend aber diszipliniert, wie Schienen für den Kubus darüber, oder wie Fühler in den öffentlichen Raum. In der kalkulierten Unberechenbarkeit des Pavillons, wieder auf einem Ein-Meter-Raster gezeichnet und in spanischem Sprachraum werden sie noch einmal ihren Auftritt haben gegen Ende seines Alterswerks, im Werk, in gebauter Wirklichkeit nicht mehr.

 

→ DIE LETZTEN JAHRE DER „KLASSISCHEN MODERNE“

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