Bei der Untersuchung geometrischer Zusammenhänge zwischen Bauten des Barock und mittelalterlichen Anlagen konnten Methoden und Strukturen historischer Stadtplanung rekonstruiert werden, die bis in das 11. Jahrhundert zurückverfolgt wurden. Die Spuren dieser Planungsmethodik verlieren sich im frühen 20. Jahrhundert. Daneben wurden weiträumige Beziehungen zwischen Bauten und Städten aus der gleichen Zeit untersucht, die sich auf modernen Landkarten als lange Linien über Land darstellen lassen. Hieraus entstand der Begriff der Linienarchäologie mit den drei Bereichen:
Der Begriff der Stadtgeometrie gilt für alle Stadtanlagen, die mit Hilfe geometrischer Figuren angelegt sind, nicht nur für die sogenannten Planstädte der Neuzeit, zu denen im untersuchten Bereich das „Schachbrett“ von Mannheim und der „Fächer“ von Karlsruhe gehören. Das Ordnungsmuster, in dem sich diese relativ jungen Stadtanlagen darstellen, ist vor allem eine Angelegenheit ihrer Stilistik. Maßgeblich für ihre Lage und Ausrichtung sind viel ältere regionale Zusammenhänge.
Die Vermessung ist ein unentbehrliches Instrument des Städtebaus. Mit der Vermessung tritt die Geometrie auf den Plan, entweder 1 zu 1 auf der zur Bebauung bestimmten Fläche, also ganz wörtlich als Landvermessung, oder modellhaft verkleinert in irgendeiner Form des Planens. In beiden Fällen muss man Vorstellungen präzisieren und zu einer gedanklichen Ordnung kommen.
Grundflächen aufzuteilen und Gebäude anzuordnen ist ein Gestaltungsprozess, der Zuordnungen und Zusammenhänge definiert. Die Geometrie und mit ihr die Zahlen sind dabei in ihrem ureigenen Element, in welchem sie bei aller Regelhaftigkeit, die dort herrscht, ständig zu Verspieltheiten und Verwicklungen verführen. Der Virtuosität sind da keine Grenzen gesetzt. Die Stadtplanung konnte sich damit zu einer Kunstform entwickeln, die direkt aus der Struktur einer praktischen Aufgabe, der planenden Vermessung hervorging; und sie blieb ihr unmittelbar verbunden, für Jahrhunderte und über wechselnde Baustile hinweg. Wird das übersehen, bleibt der historische Städtebau weitgehend unverständlich und seine gestalterischen Wirkungsmittel werden nicht gesehen.
Die Geometrie eines städtischen Bauwerks ist Teil seiner Stadtgeometrie. Aus ihr heraus individualisieren sich die einzelnen Bauten, ihrem Zweck entsprechend und im Rahmen jeweils üblicher formaler Ansprüche. Die Stadtgeometrie regelt die Beziehungen zwischen den einzelnen Gebäuden der Stadt. Die Stadtgeometrien stehen miteinander in Verbindung über die Steinkreuzlinien, einem quadratisch angelegten sehr alten Netz von Linien oder Fluchten, über das wenig bekannt ist. Die niedrigen massigen Steinkreuze, die dieses System einmal markiert haben sollen, sind selten und kaum noch an ihrem ursprünglichen Ort zu finden. Auffälligkeiten innerhalb der Stadtgeometrien und oft schwer erklärbare Fernbeziehungen machten es möglich, Steinkreuzlinien zu lokalisieren und das Netz nach und nach zu rekonstruieren. Dabei wurden die heute verfügbaren Gebäudekoordinaten der Vermessungsämter in zunächst noch weiche Steinkreuzkoordinaten umgerechnet, die schrittweise über weite Distanzen fixiert und präzisiert wurden und sich in alten Ortsmaßen und Gebäudemodulen zu bestätigen hatten.
Die ganz individuell angelegten Orte stehen so miteinander in Verbindung, gedanklich, aber auch mit praktischem Nutzen, denn die Abstände zu anderen Orten werden abzählbar nach Maß und Richtung, einfach und ohne Landkarte. Gebäudegeometrien, Stadtgeometrien und dazu das landesweite Netz der Steinkreuzlinien erweisen sich als ein komplexes Vermessungssystem.
Die Untersuchungen, deren Ergebnisse hier vorgelegt und als schlüssige Geometrien dargestellt werden können, wurden auf heute gebräuchlichen topografischen Karten und Katasterkarten mit den zugehörigen Koordinaten zeichnerisch und rechnerisch durchgeführt. Eine Überprüfung der Ergebnisse auf ihre innere Schlüssigkeit müsste an Hand der vorgelegten Unterlagen möglich sein. Zur Untersuchung ihrer Realitätsnähe reicht die Genauigkeit der Zeichnungen und Skizze nicht immer aus. Sie sind keine Beweismittel. Sie sollen möglichst anschaulich sein. Karten und Grundrisse sind grundsätzlich genordet.
Es ist nicht zu übersehen, dass historische Vermessungen mehr als nur die Lösung praktischer Probleme im Auge hatten. Es sind Kunstwerke, die ihren eigenen Regeln folgen. Das führt oft zu einem verspielten Einsatz ihrer Mittel, ebenso wie es dabei zu Schroffheiten kommen kann, Komplikationen also, die ein reiner Techniker aus guten Gründen vermeiden würde. Deshalb schien es ratsam. manche Konstruktionen zu zerlegen, um wenigstens einen Teil ihrer Komplexität Schritt für Schritt sichtbar zu machen.
Geschichtliche Fakten, soweit sie sich nicht im Erscheinungsbild eines Ortes selbst darstellen, wurden diesen Untersuchungen nicht zu Grunde gelegt oder zu Rate gezogen. Ob die Ergebnisse im Einzelfall mit stadtgeschichtlichen Überlieferungen und Forschungsergebnissen in Einklang zu bringen sind, müsste noch untersucht werden.